EU macht erste Schritte für mehr Steuertransparenz
Abschluss der EU-Verhandlungen zu öffentlicher länderbezogener Berichterstattung enthält große Lücken
Am 1. Juni haben die Unterhändler des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Rates eine politische Einigung über eine neue EU-Richtlinie zu öffentlicher länderbezogener Berichterstattung erzielt. Die Richtlinie sieht vor, dass in Europa operierende Unternehmen mit einem konsolidierten Jahresumsatz von weltweit über 750 Millionen Euro in den letzten beiden aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren relevante steuerliche Informationen nach Ländern offenlegen müssen.
Neben vielen weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen setzt sich das Netzwerk Steuergerechtigkeit seit vielen Jahren für die Einführung von öffentlicher länderbezogener Berichterstattung ein (public Country-by-Country Reporting, public CbCR). Das Konzept sieht vor, dass multinationale Unternehmen verpflichtet werden, zentrale ökonomische Daten (z. B. Umsätze, Gewinne, Mitarbeiter*innenzahl und Steuerzahlungen) aufgegliedert nach Ländern zu veröffentlichen. (Details dazu hier: Öffentlich länderbezogene Berichterstattung – warum die typischen Gegenargumente nicht überzeugen). Die verabschiedete Richtlinie ist ein erster Schritt für mehr Steuertransparenz in der EU, sie enthält jedoch große Lücken:
Laut der Richtlinie müssen multinationale Konzerne nur Daten über Steuerzahlungen und Gewinne in EU-Staaten und einigen wenigen von der EU gelisteten Ländern (graue und schwarze EU-Liste) veröffentlichen. Diese Liste der nicht-kooperativen Steuerjurisdiktionen ist jedoch politisch motiviert und enthält kaum relevante Steueroasen.
Damit bleiben die übrigen weltweiten Konzern-Aktivitäten intransparent, z. B. in den drei wichtigsten Steuersümpfen für Konzerne: den Britischen Jungferninseln, den Kaimaninseln und Bermuda. Die lückenhafte Richtlinie könnte dazu führen, dass Konzerne ihre Gewinne noch stärker in Gebiete außerhalb der EU verschieben, um Offenlegungspflichten zu umgehen. Missbräuchliche Steuerkonstruktionen wären so kaum zu analysieren und bekämpfen.
Darüber hinaus enthält die Richtlinie ein weiteres Schlupfloch, dass es Konzernen erlaubt, Informationen bis zu fünf Jahre zurückzuhalten, wenn sie als kommerziell sensibel angesehen werden. Dies ermöglicht beispielsweise, Daten zu Gewinnverschiebung in Niedrigsteuerländer zurückzuhalten.
In einem offenen Protest-Brief sprach sich Transparency International mit 62 weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen (darunter das Netzwerk Steuergerechtigkeit) für echte Steuertransparenz aus, welche nur durch weltweite Berichtspflichten erzielt werden kann.
Die getroffene Vereinbarung sieht eine Überprüfung der Richtlinie nach vier Jahren vor. Angesichts der Tatsache, dass viele große multinationale Konzerne Rekordgewinne einfahren, während die Corona-Pandemie soziale Ungleichheiten weiter verschärft, dürfte der Druck der Zivilgesellschaft für echte Steuertransparenz weiter steigen.
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